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1. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 132

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
132 „Ja,“ sagte die Wachtel, „nun ist’s an der Zeit; macht schnell euch, ihr Kinder, zum Abzug bereit! Wer Nachbarn und Vettern die Arbeit vertraut, dem wird nur ein Schloß in die Luft gebaut; doch unter dem Streben der eigenen Hand erblüht ihm des Werkes vollendeter Stand.“ Die Wachtel entfloh mit den Kleinen geschwind, und über die Stoppeln ging tags drauf der Wind. Ernst Langbein. 101. Gesellschaft mit dem Löwen. Es gesellten sich ein Rind, eine Ziege und ein Schaf zum Löwen und zogen miteinander auf die Jagd in einen Forst. Als sie nun einen Hirsch gefangen und in vier Teile gleich geteilet hatten, sprach der Löwe: „Ihr wisset, daß ein Teil mein ist als eures Gesellen; das andere gebühret mir als einem Könige unter den Tieren; das dritte will ich haben darum, daß ich stärker bin und mehr darnach gelaufen und gearbeitet habe denn ihr alle drei; wer aber das vierte haben will, der muß mir’s mit Gewalt nehmen.“ Also mußten die drei für ihre Mühe das Nachsehen und den Schaden zum Lohne haben. Martin Luther. 102. Line Begegnung. Der Hochmut ging eines schönen Tages spazieren. Tr trug eine Jerone aus Seifenblasen auf dem T^opf, und sie schillerten bunt und prächtig im Sonnenschein. An seinem purpurfarbigen Gewände hingen zahllose, vergoldete Glaskugeln; die Plattfüße hatte er in Schuhe mit ungeheuern packen gesteckt und schritt auf ihnen so majestätisch einher wie ein hölzerner J^önig in der Puppenkomödie. Sein breites Gesicht strahlte von Selbstzufriedenheit, seine roten, fingerdicken Lippen waren verächtlich verzogen; aus halbgeschlossenen Lidern blickte er um sich, als ob nichts da wäre, der Mühe wert, ihm einen ganzen Blick zu gönnen. Da kam ein Wesen ihm entgegen, bei dessen Erscheinen er stutzte. Ein Wesen von schlichtem Aussehen; bescheiden sein Gang, seine Haltung, seine Gebärde; schön sein Angesicht, aus dem ein edler Ernst und tief- innerlichster Frieden sich malten. „Weiche mir aus!" rief der Hochmut ihm zu. „Gern," erwiderte der andre lächelnd und gab Baum. Dennoch fühlte der Hochmut sich verletzt: „Du lächelst? Wie darfst du es wagen, zu lächeln in meiner Gegenwart?" schnaubte er und warf sich wütend auf den Beleidiger.

2. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 298

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
298 Leiber der Gefallenen drängte der Schwall, Schild an Schild und Brust gegen Brust, wie Kampf der Stiere im umhegten Pferche. Da schied sich das Schlachtenglück von den Alemannen; sie fuhren rückwärts; ihnen graute vor dem Häuf der sterbenden Genossen. Die Sonne sank, und das Kriegsheil schwand. Die gelösten Scharen wälzten sich flüchtig zum Ufer des Stromes, und hinter ihnen stürmten mit Messer und Speer die Römer wie die Meute hinter dem Hirsche; in den Rhein hinab sprang das flüchtige Volk; die Sieger am Ufer warfen mit lautem Geschrei die Speere in ein wildes Gewühl von Männern und Rossen, von toten Leibern und ertrinkenden Helden." 3. Der Sänger hielt an; ein lautes Stöhnen ging durch die Versamm- lung; nur einzelne Heilrufe erklangen dazwischen; der Fürst hörte ge- spannt auf die Ausbrüche des Schmerzes und der Freude^ Dann fuhr Volkmar fort, indem er die Trauerklänge mit kräftiger Weise vertauschte: „Der Cäsar trat an den Uferrand und sah lachend hinab in der Männer Rot. Er rief seinem Bannerträger, der den Drachen trug, das rote Scheusal, aus Purpur gewirkt, darin ein Gott der Römer gefügt den Siegeszauber, den Tod der Feinde: ,^Laß schweben den Drachen über der Flut, daß er seine Zähne zeige und die flammende Zunge dem sterbenden Volke! In der Luft hoch fliegt er gegen die Himmelshalle der Toten; wenn sie aufsteigen auf der Wolkenbrücke, so weist er die Zähne; der Römerdrache hemmt ihnen die Reise, daß sie abwärtsfahren den Weg der Fische hinab in das Dunkel zu Helas Tor." Da rächte den Hohn der letzte Held, der mit den Waffen die Römer bestand, Ingo, Ingberts Sohn vom Vandalenland, der Königsohn aus Göttergeschlecht. Er hatte gekämpft an König Athanarichs Achsel, voran im Kampfe, ein Schrecken der Römer. Da das Schlachtenglück sich wendete, schritt er zurück mit seinem Gesinde, das ihm folgte auf dem Kriegspfade von Land zu Land; langsam und zornig wie ein brummender Bär wich er zum Ufer, wo am Fuß des Felsens die Kähne lagen. Dort trieb er zusammen die Frauen des Heeres, die Schicksalsverkünderinnen, die Blutbesprecherinnen, und zwang sie zur Abfahrt, daß die heiligen Mütter dem Schwerte der Römer entrannen. Auch den Sänger drängte er hinab in den Kahn, und er selbst umschanzte hochherzigen Sinnes die Stelle der Abfahrt mit Waffe und Leib. Gelöst war das Leitseil; die Kähne schwebten, umschwirrt von den Speeren der Römer, auf grüner Flut; die Feinde drängten, und mühsam kämpfte die Schar am Fuß des Felsens den letzten Kampf. Da schaute der Held auf dem Steine über seinem Haupt den Drachen des Cäsar, den grimmigen Wurm, und im Sprunge durchbrach er die Wachen des Römers; er sprang auf den Stein; mit Bärengriff faßte er den Riesen, der das Banner trug, und warf ihn vom Felsen. Leblos tauchte

3. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 299

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
299 in die Fluten der Römer, und das Banner erhebend, rief der Held ge- waltig den Schlachtruf und sprang mit dem Drachen hinab in den Strom. Ein Wutgeschrei gellte aus Römermunde; die bittere Schmach vor den Augen des Cäsar zu rächen, den Kühnen zu schlagen, das heilige Zeichen der Römer zu retten, warf Mann und Roß sich wie toll in den Strom. Doch abwärts trieb im wirbelnden Strome der rote Drache, der siegreiche Held. Roch einmal sah ich den Arm ihn heben und schütteln das Banner; dann sah ich ihn nimmer. Der Cäsar ließ suchen an des Stromes Rand auf beiden Ufern mit trübem Sinn; zwei Tage darauf fand weit ab- wärts ein Späher am Alemannenufer gebrochen den Bannerspeer; den Drachen des Feindes brachte keiner zurück. Da kehrte den Männern an den Ufern des Rheins der Mut in die Seelen; der Siegeszauber des Cäsar war im Strome verloren, und vergeltendes Unheil nahte dem Römerheere. Gesandte der Chatten, die aufwärtskamen, um dem Römer- volk Bündnis zu bieten, sie hemmten die Reise, da sie erfuhren das böse Vorzeichen. Gerächt war der Hohn des Siegers durch starken Arm und geschwunden von der Männererde König Ingo, der Held." 4. Der Sänger schwieg und beugte das Haupt über das Saitenspiel; still war es in der Halle wie nach einer Totenklage; die Augen der Männer glänzten, und in den Gesichtern arbeitete die Bewegung, aber in keinem mehr als in dem des Fremden. Da der Sänger eintrat und im Vorübergehen sein Gewand berührte, hatte er das Haupt nieder- gebeugt und, wie sein Nachbar Wolf ohne Freude wahrnahm, an dem Bericht des Sängers weniger teilgenommen, als einem Krieger schicklich war, und die Bankgenossen hatten auf ihn gewiesen und spottende Worte getauscht. Als aber der Sänger von dem Kampf um das Drachenbild begann, da hob er das Antlitz; ein rosiges Licht flog über seine Züge, und so strahlend und verklärt war der Blick, den er nach dem Sänger warf, daß, wer auf ihn sah, die Augen nicht abwenden konnte; wie ein Goldschein hob sich das helle Lockenhaar um das begeisterte Antlitz. Und als der Sänger schwieg, saß er noch unbeweglich. „Sieh dorthin, Volkmar!" rief eine tiefe Frauenstimme, vor Bewegung zitternd, und alle Blicke folgten der Richtung, nach welcher die Hand Irmgards wies, die hoch aufgerichtet in der Laube stand. Der Sänger fuhr empor und starrte nach dein Fremden. „Der Geist des Stromes gab den Helden zurück!" rief er entsetzt; doch gleich darauf sprang er vor: „Selig ist der Tag, an dem ich dich schaue, Held Ingo, Ingberts Sohn, du mein Netter, der letzte Kämpfer in der Alemannen- schlacht!" Die Gäste fuhren von ihren Sitzen; die Halle erdröhnte vom Jubel- ruf. Der Sänger stürzte auf Ingo zu, beugte sich auf feine Hand und

4. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 300

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
300 rief: Leibhaftig halte ich dich! Niemals wurde meinem Lied so schöner Lohn!" So führte er den Fremden an den Tisch des Fürsten, der ihm mit nassen Augen entgegeneilte: „Gesegnet feist du, heldenhafter Mann! Heut' fällt mir schwere Last vom Herzen; ich wußte wohl, nicht läßt sich bergen des Helden Ruhm. Sei gegrüßt in meinem Haufe, du Gast- freund aus der Väter Zeit! Rückt den Sessel, Knaben, daß der Fürst sich den Edeln meines Volkes geselle! Trage Wein herzu. Schenk! Im Festbecher, mit dem Römertrank aus Römergold, trinken wir Heil dem königlichen Helden, dem Sohn unsrer Götter." Gustav Freytag (Die Ahnen). 185. Die Nibelungen, a) Kriemhild und Siegfried. 1. Im Burgundenlande, aus der alten Königsburg zu Worms am Rheine, wuchs eine edle Königstochter, namens Kriemhild, zur herrlichsten Jungfrau heran. Nach dem frühen Tode ihres Vaters hatten sie ihre drei Brüder in ihrer Obhut, die Könige Gunter, Gernot und Gifelher, denen die besten Recken dienten. Der vornehmste unter ihnen war der grimme Hagen von Tronje, ein Verwandter des Königshauses. Einst träumte Kriemhild, sie zöge einen Falken auf und Psiegte ihn als ihren Schützling manchen Tag, — da stürzen zwei Adler herab und erdrücken mit ihren grimmen Klauen das zarte Tier vor ihren Augen. Am Morgen erzählt sie den Traum der lieben Mutter. Diese deutet: „Der Falke ist ein edler Mann, für welchen du bestimmt bist; Gott wolle ihn behüten, daß du nicht früh ihn verlierst!" Heiter in fröhlicher Jugend ist inzwischen im Niederland zu Santen am Rhein Siegfried, Siegmunds und Siegelindens Sohn, zum Helden herangewachsen. Er ist schon durch manche Lande gezogen, um feines Leibes wunderbare Stärke zu versuchen. Da hört er die Kunde von der schönen Jungfrau zu Worms am Rheine, und er zieht aus der Heimat mit seinen Mannen, damit er um sie werbe. 2. Vor der Königsburg zu Worms reiten die Fremden auf, stark wie Riesen, im herrlichen Schmucke der Rüstungen und der Rosse. Niemand kennt die am Rheinufer haltenden Mannen, niemand ihren Führer, den königlichen Jüngling. Da wird nach Hagen von Tronje gesandt, dem alle fremden Lande kund find. Aber auch er hat diese Helden noch niemals gesehen. „Fürsten oder Fürstenboten müssen es fein," sagte er. Bald aber fügt er hinzu: „Ich habe zwar noch niemals Siegfried gesehen, aber ich muß glauben, daß nur er es sein kann, der dort so herrlich einhergeht. Es ist Siegfried, der das Geschlecht der

5. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 301

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
301 Nibelungen besiegte, der den unermeßlichen Schatz an rotem Golde ge- wann, und der dem Zwerge Alberich die unsichtbar machende Tarnkappe entriß. Solchen Helden sollen wir freundlich empfangen." Siegfried wird herrlich empfangen und köstlich bewirtet. Fröhliche Kampfspiele werden auf dem Hofe des Königspalastes gehalten. Kriem- hild schaut verstohlen durch das Fenster, und im Anschauen des starken Heldenjünglings vergißt sie alle Spiele mit den Gefährtinnen. — Ein ganzes Jahr weilt Siegfried am Hofe der Burgundenkönige, ehe er die, um welche er wirbt, nur einmal zu sehen bekommt. Er zieht als Kampfgenosse mit dem Heere der Burgunden hinaus zu manchem Streite, und überall zeigt er sich als der gewaltigste und siegreichste der Helden. 3. Nach der Rückkehr des Heeres aus dem Kriege wird in Worms ein großes, heiteres Ritterspiel gehalten. Am Pfingstfeste ziehen von nah und fern die Höchsten und Besten, unter ihnen allein zweiunddreißig Fürsten, zum Hofe der Burgundenkönige. Da darf endlich auch Kriem- hild an der Seite ihrer Mutter im Geleite von hundert geschmückten Edelfrauen zum erstenmal öffentlich erscheinen. Nach höfischer Sitte heißt Gunter Siegfried herantreten, daß er die Schwester begrüße. Und der Held tritt heran und neigt sich vor der Jungfrau. Noch aber wird kein Wort gewechselt. Erst nach der Messe, mit der das Fest begann, sagt die Jungfrau dem Helden Dank für den tapfern Beistand, den er ihren Brüdern geleistet hat. „Das ist Euch zuliebe geschehen, Kriemhild," antwortet Siegfried, und nun bleibt er zwölf Tage, die Dauer des Ritterfestes über, in ihrer Nähe. Dann ziehen die fremden Gäste von dannen. Auch Siegfried rüstet sich zur Heimfahrt; doch leicht läßt er sich durch Zureden des jungen Giselher bestimmen, noch länger da zu verweilen, wo er am liebsten war, und wo er täglich die schöne Kriemhild sah. b) Brunhild. 1. Jenseit der See herrschte die Königin Brunhild, eine Jungfrau von großer Schönheit, aber auch von übernatürlicher Kraft. Mit Helden, die sie zum Weibe begehrten, warf sie die Lanzen, schleuderte sie den Wurfstein und sprang dem geworfenen Steine nach in kühnem Sprunge. Nur dem, der sie in jedem dieser drei Spiele besiegte, wollte sie ihre Hand reichen. Wer unterlag, verlor sein Haupt. Schon mancher Held war ausgezogen, um die schöne Jungfrau zu gewinnen, aber keiner war wiedergekehrt. Da will auch König Gunter um sie werben, und er fordert Sieg- fried auf, ihn zu begleiten und ihm bei der Werbung zu helfen. Sieg-

6. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 303

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
303 wendet sich augenblicklich zu ihrem Heergefolge und ruft: „Tretet heran! Ihr sollt König Gunter alle untertan werden!" Alsbald knien die kühnen Helden vor Gunter nieder und huldigen ihm. Dann rüstet man sich zur Heimfahrt. 3. In der Königsburg zu Worms wird nun bald ein herrliches Hochzeitsfest gefeiert. Brunhild wird mit Gunter, Kriemhild aber mit Siegfried vermählt. Bei der Hochzeitstafel sitzen die beiden Paare einander gegenüber. Alle sind fröhlich; nur Brunhild sitzt finstern Antlitzes da. Tränen fallen über die Wangen der schönen, stolzen Königin, und Gunter fragt sie besorgt, was ihr sei. Brunhild antwortet: „Um Kriemhild, deine Schwester, weine ich, daß du sie nicht einem Könige, sondern einem deiner Dienstmannen gegeben und durch die Heirat mit einem solchen erniedrigt hast." — „Sei stille," entgegnet Gunter, „das will ich dir zu anderer Zeit erzählen, warum ich Siegfried meine Schwester gegeben habe." c) Der Streit der Königinnen. 1. Fröhlich zieht Siegfried mit der jungen Gemahlin in die Heimat zu dem lieben Elternpaare. Siegmund tritt dem Sohne Krone und Reich, Land und Leute ab. Zehn Jahre genießen die Glücklichen ihres Glückes in tiefem Frieden und seliger Ruhe. In dem Herzen der starken Brunhild ist aber der übermütige Stolz auch im Lause der zehn Jahre nicht erloschen. „Wie?" fragt sie oft ihren Gemahl, „darf Kriemhild sich so stolz gegen uns halten, daß sie in der langen Reihe von Jahren auch nicht ein einziges Mal an unsern Hof kommt? Ist nicht Siegfried unser Gefolgsmann? Und zehn Jahre lang hat er uns keine Dienste geleistet!" Gunter muß Boten zu Siegfried senden und ihn zu einem fröh- lichen, großen Feste einladen, das am Hofe der Burgunden zu Worms gefeiert werden soll. Siegfried geht zu Rate mit seinen Getreuen; diese sowie der alte Vater, König Siegmund, stimmen dafür, die Ein- ladung anzunehmen. Mit großem Heergefolge von tausend Edlen ziehen Siegfried und Kriemhild arglos und unbefangen nach Worms am Rheine. Reiche Gaben, rotes Gold und strahlende Kleinode führen sie mit. 2. Glänzender Empfang wartet der Gäste zu Worms. Mit ihnen strömen zum Ritterspiele Tausende von Rittern durch die Tore der Königsstadt. In prächtigen Gewändern reiten die Könige mit ihrem Gefolge durch die Gassen, und herrlich geschmückt sitzen edle Frauen und schöne Mägdlein in den Fenstern. Posaunen-, Trompeten- und Flötenhall erfüllt die weite Rheinstadt.

7. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 305

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
305 nicht, kann nicht schweigen. Jammernd, in ohnmächtiger Wut sitzt sie einsam im Gemache. Dort findet sie Hagen und erfährt von ihr, wie schwer sie gekränkt sei. Als Hagen seine Herrin und Königin weinen sieht, da beschließt er in seinem Herzen den Tod Siegfrieds. Es soll ein falsches Kriegsgerücht verbreitet, das Heer aufgeboten und Siegfried auf diesem Kriegszuge erschlagen werden. Die Heerfahrt ist in vollem Gange. Siegfried rüstet sich. Da be- gibt sich der untreue, grimmige Hagen zu Kriemhild, um der Sitte gemäß von ihr Abschied zu nehmen. Kriemhild hat den Streit schon halb vergessen. Daß sie in Hagen denjenigen vor sich sehe, der ihrem Gatten den Tod geschworen hat, davon kommt auch nicht die leiseste Ahnung in ihr Herz. „Hagen, du bist mein Verwandter. Wem soll ich in dem Kriege, der bevorsteht, das Leben meines Sieg- fried besser anvertrauen als dir? Schütze mir meinen lieben Mann, ich befehle ihn dir auf deine Treue. Zwar ist er unverwundbar, aber als er sich im Blute des Drachen badete, fiel ihm zwischen die Schulter- blätter ein Lindenblatt, so daß diese Stelle, vom Blute unberührt, verwundbar blieb. Schütze diese Stelle, wenn ein Speer gegen ihn geflogen kommt!" „Wohl," sagt der Tückische; „um das besser zu können, nähet mir, königliche Frau, ein Zeichen auf diese Stelle seines Gewandes, damit ich genau wisse, wie ich ihn zu schützen habe." Und Kriemhild näht in zärtlicher Liebe mit eigener Hand aus feiner Seide ein Kreuz auf das Gewand ihres Gatten. 2. Tags darauf beginnt der Kriegszug, und Hagen reitet nahe an Sieg- fried heran, um zu sehen, ob die Gattin arglos genug gewesen sei, das Zeichen einzusetzen. Siegfried trägt es wirklich, und nun ist die Heerfahrt nicht weiter nötig. Hagen hat aus den Händen der Gattin das, was er will — mehr, als er erwarten konnte. Das Gefolge wird statt in den Krieg zu einer großen Jagd entboten. — Siegfried und seine treue Gattin sehen sich zum letztenmal. Bange Ahnungen, schwere Träume beängstigen ihre Seele wie damals, als sie zuerst von dem Falken und den Adlern träumte. Jetzt hat sie zwei Berge auf Siegfried fallen und ihn unter den stürzenden Trümmern verschwinden sehen. Siegfried tröstet sie, nie- mand trage Haß gegen ihn und könne Haß gegen ihn tragen — allen habe er Gutes erwiesen, in wenigen Tagen komme er wieder. Was sie fürchtet, weiß sie nicht; aber sie scheidet von ihrem Gatten mit dem Worte: „Daß du von mir gehen willst, das tut mir inniglich weh." — Die Jagd ist beendet. Die Helden, zumal Siegfried, der das meiste Wild erlegt hatte, sind von dem Rennen in der Sommerhitze müde und durstig. Doch weder ist Wein vorhanden noch der Rhein- strom in der Nähe, um aus ihm die ersehnte Labung zu schöpfen. Aber Dietleins Deutsches Lesebuch Ausg. T>. Teil Iii. 3. Ausl 20

8. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 307

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
307 finden werde. Und so geschieht es auch. Ein Kämmerer geht Kriem- hild mit dem Licht voran und sieht den Leichnam. „Herrin," sagt er, „steht stille; da liegt vor dem Frauengemach ein erschlagener Ritter!" Ein lauter Schrei des Entsetzens ist Kriemhilds Antwort; sie weiß, wer da erschlagen liegt, ohne daß man es ihr gesagt hat. Und als sie den Erschlagenen sieht, so sehr er vom Blute übergössen ist, — sie kennt wohl, auch im bleichen Fackelscheine, die Heldengestalt und die edeln Züge. „Du bist ermordet," rüst sie, „dein Schild ist nicht zerhauen! Dem gebührt der Tod, der das getan!" Siegfrieds Mannen werden geweckt, lauter Jammer erfüllt weit und breit die Säle und Höfe. Zur Rache scharen sich die Getreuen des erschlagenen Helden; kaum daß Kriemhild warnen und abwehren kann: es sei jetzt nicht Zeit zur Rache — dereinst werde sie kommen. Als der Tote auf der Bahre liegt, kommen die Könige, ihre Brüder, und die Verwandten; auch Hagen tritt ohne Scheu hinzu. Als Gunter seiner Schwester eben einzureden sucht, fremde Mörder hätten Siegfried erschlagen, da tritt Hagen heran, und die Wunden fließen. „Ich kenne die Mörder wohl," ruft die Arme, „und Gott wird die Tat an ihnen rächen!" Der Leichnam ist eingesargt und wird zu Grabe getragen; Kriem- hild folgt in tiefstem Jammer. Noch einmal aber begehrt sie das schöne Haupt des Geliebten zu sehen, und der Sarg, aus Gold und Silber geschmiedet, wird aufgebrochen. Da führt man sie herbei, und mit ihrer weißen Hand hebt sie noch einmal das Heldenhaupt empor und drückt einen Kuß auf die bleichen Lippen. Dann bricht sie ohn- mächtig zusammen und wird von dannen getragen, der edle Held aber wird bestattet. Nach A. Vilmar (Geschichte der deutschen Nationalliteratur). 166. Wirhildrbrand mit seinem Sohne Hadubraud kämpfte. 1. Meister Hildebrand war mit König Dietrich nach langem Aufenthalt bei König Etzel von Hunnenland in seine sonnige Heimat zurückgekehrt. Eines Morgens früh ritt er gen Bern, um seinen Sohn Hadubraud zu finden und dessen Treue gegen Dietrich zu erproben. Wohlgemut ritt er dahin und pfiff ein fröhliches Lied. „Wenn mein Sohn", sagte er halblaut, „nur recht in die Art seiner Väter eingeschlagen ist! Aber er ist unter der Obhut seiner einsamen Mutter aufgewachsen, sie hat ihn vielleicht verzärtelt, daß er im Waffen- werk ein Stümper ist." Dann aber gedachte er der Kunde, die zu ihm gedrungen war, daß Hadubraud der größte und tapferste Held diesseits der Berge sei, und ihm klopfte das Herz wieder vor freudiger Erwartung. 20*

9. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 309

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
309 sich des kraftvollen Stoßes, den sein Sohn geführt hatte, und daß er im Sattel sich behauptete. Nun sprangen beide, der Alte und der Junge, mit gleicher Gewandtheit von den Rossen und zogen ihre Schwerter, und es kam zu einem harten Kampfe. Hildebrand hielt zwar anfangs mit seinem Schwert zurück und suchte sich nur wider die Hiebe seines Gegners zu decken; denn er wollte ihn nicht verwunden, falls er es vermeiden könnte. Hadubrand aber drang mit so grimmigen Schlägen und solcher Hitze auf ihn ein, daß auch er zuletzt in Eifer geriet und die Hiebe erwiderte. 2. Endlich erlahmte die Kraft Hadubrands, und er wich zurück, um auf seinen Schildrand sich zu stützen und auszuruhen. Auch Hildebrand senkte sein Schwert, obwohl er die Rast nicht nötig gehabt hätte. Wie sehr er auch vom Kampf erregt war, schaute er jetzt doch mit wohlgefälligem Lächeln auf seinen Sohn, dessen Tapferkeit und Mannhaftigkeit er bewunderte. „Man merkt dir nicht an", sagte er, „daß du deinen Vater nie gekannt hast. Deine Mutter hat dich gute Schläge gelehrt, du bist im Waffenwerk wohl erzogen." Doch Hadubrand rief dagegen: „Was sprichst du mir von Wohlerzogenheit? Sollt' ich von Weibern lernen, das wäre mir Schande Nun schau, alter Graukopf, welche Streiche mich gute Helden gelehrt haben!" Und damit sprang er wieder auf seinen Gegner ein, und es rasselten die Schwerter auf den Schilden, daß die Funken davon stoben. Lange dauerte dieser neue Kampf, bis der Alte die Gelegenheit ersah, mit der flachen Seite des Schwertes seinem Sohne einen Hieb auf den rechten Arm zu geben, daß diesem das Schwert entfiel. Da stürzte sich Hildebrand auf ihn, umfaßte ihn in der Mitte und schleuderte ihn hin ins grüne Gras. Dann kniete er ihm auf die Brust nieder und sagte: „So geschieht dir jungem jetzt von mir altem Mann. Nun sprich, ob du dich als überwunden bekennst; sonst mußt du auf der Stelle dein Leben lassen." Vergeblich bemühte sich Hadubrand, dem eisernen Druck sich zu entziehen. Dann rief er trotzig: „Stoße nur zu! Um mein Leben sorge ich fortan nicht mehr, wenn eine so alte Graugans mich überwunden haben soll." Da lachte der alte Hildebrand und sprach: „Nun hast du gefühlt, daß der Vater noch Zucht am Sohne zu üben vermag; aber jetzt steh auf, ich will dir beweisen, daß ich dein Vater bin." Und beide erhoben sich, der Alte mit heiterem, der Junge mit finsterem Angesicht. Jener aber sagte: „Nun laß es dich nicht reuen, daß dein Vater dich niedergeworfen hat. Ich weiß es, die Sage von meinem Tod war weit verbreitet, als ich einst, da ich für Etzel stritt, auf der Walstatt bewußtlos liegen geblieben war. Aber sieh hier den Fingerring. Gleicht er nicht genau dem Ringe, den du oft an der Hand deiner Mutter gesehen hast? Da sieh das eingegrabene Zeichen!" Und Hadubrand prüfte genau den Reifen, dann aber warf er

10. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 310

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
310 sich plötzlich an die Brust des Alten und rief schluchzend aus: „Mein Vater mein Vater! Kannst du mir verzeihen, daß ich deinem Worte nicht geglaubt", und daß ich gegen dich gekämpft habe?" Hildebrand aber küßte mit in- brünstiger Liebe seinen Sohn und sagte: ,Faß gut sein! Ich habe dich als tapferen Helden kennen gelernt, und das freut mich. Dein Mißtrauen gegen mich zeugte von Vorsicht. Nur hättest du nicht gar so hitzig zum Kampf zu sein brauchen." Darauf fragte Hildebrand nach seiner Gemahlin Ute, ob sie gesund sei, und wo sie weile. Vor allem wollte er sein treues Weib jetzt nach so langer Trennung begrüßen. Hadubrand erwiderte heiter: „Sie weilt bei mir in meiner Vurg zu Bern. Wie wird sie jubeln, wenn sie dich wiedersieht! Sie hat die Nachricht von deinem Tode nie geglaubt; trotz alledem hat sie täglich und stündlich während all der langen Jahre auf deine Wiederkehr gehofft. Aber sie ist gealtert wie du, auch ihr Haar bleicht schon." 3. Sie ritten nun fröhlich miteinander in Bern hinein. Es dunkelte schon, als sie der Burg nahten. Da raunte Hadubrand seinem Vater zu, indem sein Auge schalkhaft blitzte: „Wenn du nun mit der Mutter zusammen- triffst, so gib dich nicht sogleich zu erkennen. Ich bringe dich heim, als wärst du mein Gefangener. Sitzest du dann oben am Tische, wird sie staunen, daß ich einem Gefangenen solche Ehre erweise; aber sie wird so auf die Wiedererkennung vorbereitet. Das wird für sie heilsam, für uns aber lustig sein." Gern willigte der Alte in diesen Scherz. Sie betraten miteinander die Halle, die vom flackernden Herdfeuer erhellt war. Frau Ute erwartete bereits ihren Sohn. Auf dem Hochsitz dampften die zum Mahl einladenden Schüsseln. Fröhlich sagte Hadubrand: „Hier bring' ich dir einen Gefangenen, liebe Mutter. Er hätte mich aus der Heide beinahe erschlagen, aber ich habe dir meine Rettung zu verdanken, du hast mich in meiner Jugend sorglich in Stoß und Sprung unterweisen lassen. Nun bin ich meines Sieges so froh, daß ich den hungrigen, alten Mann gerne als Gast beherberge." Fragend blickte Frau Ute bald ihren Sohn an, bald den fremden Mann, sie wußte sich den Widerspruch in Hadubrands Worten nicht zu deuten. Sie begrüßte den Gast höflich, aber gemessen. Sobald sich aber eine schickliche Gelegenheit gab, flüsterte sie ihrem Sohne zu: „Erweisest du nicht einem gefangenen Mann zu viel Ehre, wenn du ihn oben an den Tisch setzest?" Doch Hadubrand lächelte und führte an der Rechten die Mutter, an der Linken den Vater auf den Hochsitz, während die Mannen im Saale sich an den andern Tischen reihten. Noch hatte Hildebrand kein Wort besprochen, er wollte sich durch die Stimme nicht verraten. Aber während sie aßen, blickte Frau Ute ihn oft forschend und mit Spannung an. Es war ihr immer, als hätte sie diesen
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# Name Treffer  
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